Montag, 29. Januar 2007

dann geh' doch nach...



berlin

man möchte meinen, ein perfektes thema, dieses berlin, wie zum beispiel zahnkrankheiten, kinder oder sonne, hat irgendwie jede/r eine meinung zu und kann mitreden, pro und kontra, alles wunderbar. genau darin liegt nun aber auch die verzwicktheit des problems: der satz berlin ist scheiße (in der besonders naseweis vorgebrachten variante überschätzt, augenbraue nach oben, schluck bier) hat in etwa den selben erkenntniswert wie es ist langweilig zu sagen, mallorca habe auch ruhige flecken oder in der sprache der inuit gibt es gar nicht 1000 millionen wörter für schnee, oder am allerbesten: radiohead waren auch schon mal besser.

berlin am meer

nun wollen wir dem schönen spiel, gewisse dinge zu einen bestimmten zeitpunkt irgendwie zu finden und daraus nützliches kulturelles distinktionskleingeld zu lukrieren, unsere grundsätzliche sympathie nicht ganz versagen, liegt doch ursprung dieser schönen freizeitsbeschäftigung in hoch geschätzen konzepten wie punk, aufstieg und fall der metaebene sowie postmoderne, nichtsdestotrotz können wir uns einer gewissen langweile nicht erwehren, wenn bewertungen wie dass deutschschlager jetzt vorbei wäre, dass milchkaffeschimpfen oder webloggen jetzt anfänge vorbei zu sein oder dass schnauzbart jetzt wieder ginge im tonfall der originären erkenntnis geäußert werden. und wer noch ein bisschen schneller am karussell dreht, gewinnt anscheinend. ein schlichtes achja zu denken können wir uns da meist nicht ganz verbitten. natürlich ist uns bewusst, dass der standpunkt der indifferenz dem gängigen indie-differenznormmeinungs-kapital gegenüber das spiel auch nicht verlässt. da wir das spiel, beliebige meinungen über beliebige gegenstände als währung zu benützen wie bemerkt so gänzlich ohnehin nicht ablehnen, ist uns das nicht-mitspielen-wollen als spielzug des spielens aber auch nur ein befreiender quell der freude. wer nun darob kopfschmerzen der marke postmoderne beliebigkeit bekommen mag oder immer noch glaubt, man könnte irgendetwas meinen, kann dies auch gerne tun, dem ton der antiintellektualität unseres kleinen textes ist auch das anhängen an großen ideen kein grund zur sorge. letztendlich ist ja selbst die furcht vor postmoderner beliebigkeit auch nur eine meinung unter vielen.

schön

und in der sache macht es ja jetzt wirklich keinen unterschied, ob man straßenzügen mit dem gewerbemix frisör-, 2nd-hand-laden und spätkauf/dönerbude jetzt eher den standpunkt des gutfindens entgegenbringt oder den des ablehnens, also kann man von solchen bewertungen auch gleich ganz abstand nehmen und hat in etwa gleich recht.

mit dem alter kommt es dann auch, dass man sein heil nicht mehr nur darin zu finden glaubt, zwischen erlesen haargeschnittenen und richtig zitatgekleideten jungen menschen mit den richtigen überteuerten bierflaschen in den händen in perfekt auf antikommerzielles ambiente gestylten kaschemmen zu eindeutig antikapitalistisch kodierter und herrlicher tanzmusik mittels der exakt richtigen drogen bis zum exakt richtigen zeitpunkt in den frühen morgenstunden zu tanzen und dabei identitätspolitik zu betreiben und so, um dann am nächsten morgen in affenartiger geschwindigkeit plattenläden zu durchstöbern oder im parks rumzugammeln oder essen aus aller herren länder zu essen oder vielleicht gar noch kunst anzuschauen etc.

das mag zwar alles leidlich angenehm sein, eine leicht betuliche häuslichkeit tut's aber doch auch. regionalzeitung lesen, bisschen diagonal lesen und in internetkochforen rezepttipps austauschen etc. kann auch ganz schön sein und ein kasten bier nach feierabend schmeckt überall gleich bzw. sogar noch besser, wenn niemand sagt, kreuzberg sei auch nicht mehr das.

wenn es so wär

da in berlin keine berliner/innen wohnen, ist berlin in wahrheit für alle, die da sind, sowieso nur eine art metapher, in etwa wie new york oder david bowie und lou reed. ans große, tolle leben, das immer irgendwo anders ist, zu glauben, ist zwar sicher schön, sicher aber auch schwer, wenn man beständig die diskrepanz zum richtigen, mickrigen unglamourösen unberlinerischen leben zu übersehen versuchen muss. das wahre leben findet sowieso in der provinz statt, im hass auf die falschen und häßlichen menschen und straßen vor der haustür, vorausgesetzt, es sind überhaupt menschen und/oder straßen da. das bringt uns allabendlich in beste hasslaune und gibt uns zeit für auch mal ein gutes buch oder das kultivieren von bizarren marotten. im garten sind noch viele arbeiten übrig. im westen hängen wolken, später wird es dann sicher noch regnen. es gibt immer was zu tun. etc.

drum ist berlin, auch wenn man das eigentlich nicht sagen kann, natürlich trotzdem scheiße. ganz so wichtig ist das aber auch nicht, hauptsache das essen schmeckt gut.
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